ESA - Pressemitteilung
Nr 64-95 - Paris, 6. Dezember 1995   [ English Version | Version française ]

Erste Beobachtungen mit ISO

Das Infrarot-Weltraumobservatorium der ESA wurde in der Nacht vom 16. auf 17. November mit einer Ariane-Rakete erfolgreich gestartet. Die Abdeckung des Kryostaten wurde am 27. November angeworfen, so daß der astronomische Einsatz des ISO-Teleskops beginnen konnte. Alle Bordsysteme des technologisch innovativen Satelliten funktionieren einwandfrei und übertreffen teilweise sogar die spezifizierten Leistungen. Inzwischen haben sämtliche ISO-Instrumente "erstes Licht" empfangen.

Am 28. November wurden mit dem Instrument ISOCAM die ersten Infrarot-Aufnahmen gemacht. Die Kamera nahm dabei die spiralförmige Galaxie M51 im Sternbild Jagdhunde ins Visier. Die Bilder wurden in zwei Infrarotfarben bei Wellenlängen von 7 und 15 Mikron mit zwei räumlichen Auflösungen (3 und 6 Bogensekunden) aufgenommen. Die ISOCAM-Aufnahme bei 7 Mikron Wellenlänge und mit 6 Bogensekunden Auflösung ist in der beigefügten Abbildung 1 wiedergegeben.

Der spiralförmige Aufbau von Galaxien wurde im Jahr 1845 bei Beobachtungen von M51 entdeckt, die der dritte Earl of Rosse in Irland anstellte. Bei einer Entfernung von 20 Millionen Lichtjahren zählt diese Galaxie nicht zu unseren engsten Nachbarn im All, ist aber, da sie uns ihre Spiralstruktur unverzerrt darbietet, eine der spektakulärsten Erscheinungen.
Sie ist kleiner und - mit rund 50000 Millionen Sonnenmassen - weniger massereich als unsere Milchstraße, leuchtet aber wegen ihres hohen Anteils junger Sterne sehr viel heller. Von ihr liegen seit geraumer Zeit schon ausführliche Bilder im Bereich der optischen und Radiowellenlängen vor, dagegen aber kaum Infrarot-Aufnahmen in dem von ISO erfaßten Bereich. Abbildung 2 zeigt die mit dem ISO-Vorläufer IRAS, ein amerikanisch-niederländisch-britisches Gemeinschaftsprojekt, in einem ähnlichen Wellenlängenbereich gemessenen Daten, die keinerlei Anzeichen einer Spiralstruktur erkennen lassen.

Dank der höheren räumlichen Auflösung und Empfindlichkeit von ISOCAM sind schon auf der ersten Rohaufnahme die Spiralstruktur und weitere Einzelheiten deutlich erkennbar. Die aus den ISOCAM-Daten erstellten Bilder sollen nun mit Karten bei anderen Wellenlängen verglichen werden, um Erkenntnisse über die in Galaxien ablaufenden Sternbildungsprozesse zu gewinnen.

Mit dem Instrument ISOPHOT wurde am 29. November 1995 erstes Licht von dem Stern Gamma Draconis empfangen. Unter Verwendung eines Schmalbandfilters wurde bei 3,29 Mikron ein starkes Signal gemessen (s. Abbildung 3). Bei dieser Beobachtung wurde festgestellt, daß die optische Achse des Instruments nur um 15 Bogensekunden von der Soll-Lage abweicht. Gegenstand der nächsten Beobachtung war die mit einer Nachbargalaxie in Wechselwirkung stehende Galaxie NGC6090, die in dem mit ISO erschlossenen längsten Wellenlängenbereich von 120 bis 240 Mikron erstmals klar nachgewiesen wurde. Diese Galaxie ist etwa 320 Millionen Lichtjahre von uns entfernt und wurde von IRAS bei kürzeren Wellenlängen schon aufgespürt. Die neu entdeckte Emission im fernen Infrarot stammt von kaltem Staub (-250° C) in den beiden Galaxien, der durch neugeborene Sterne erwärmt wird. Es wird vermutet, daß durch die enge Begegnung zwischen den beiden Galaxien die Bildung neuer Sterne beschleunigt wird. Anhand der bisherigen Messungen wurde geschätzt, daß in NGC6090 jedes Jahr rund 50 Sterne geboren werden. Die neuen Messungen, die nun auch eine bisher unsichtbare Region erfassen, ermöglichen eine sehr viel genauere Bestimmung der Leuchtkraft. Damit läßt sich die Sternbildungsrate präziser berechnen und lassen sich vielleicht die Geheimnisse der in vielen äußeren Galaxien beobachteten "Sternenausbrüche" enträtseln. ISOPHOT soll deshalb im Rahmen breit angelegter Programme zur Untersuchung der verschiedenen Formen von Wechselwirkungen
zwischen Galaxien angefangen von fernen Vorbeiflügen über enge Begegnungen bis zur gegenseitigen Durchdringung von Galaxien (kosmischer "Kannibalismus") eingesetzt werden.

Die erste astronomische Beobachtung mit dem Spektrometer für lange Wellenlängen (LWS) wurde am 30. November angestellt. Sie diente der Messung des Infrarotspektrums einer als S106 bekannten Region von Staub- und Gaswolken und neu gebildeten Sternen. In dem dabei aufgezeichneten Rohspektrum sind die Linien von Stickstoff, Kohlenstoff und Sauerstoff deutlich erkennbar. Das starke Ultraviolett-Licht der Sterne heizt den umgebenden Staub auf, der die aufgenommene Energie als Infrarotstrahlung wieder abgibt. Gleichzeitig werden Atome in dem Gas angeregt, die daraufhin Strahlung bei bestimmten Infrarot-Wellenlängen aussenden. Im Unterschied zum sichtbaren Licht dringt diese Infrarotstrahlung durch die davorliegenden Wolken hindurch. Durch Messung ihres Spektrums erhalten die Astronomen Aufschluß über die Zusammensetzung, Dichte und Temperatur der fraglichen Materie, was ihnen die komplexen Prozesse bei der Entstehung von Sternen und Planetensystemen verstehen hilft. Der Wellenlängenbereich, in dem das LWS arbeitet, ist vom Boden aus wegen der Absorption durch die Atmosphäre völlig unzugänglich; das Gerät eröffnet also eine einzigartige Möglichkeit zur Untersuchung der Geburtswehen von Sternen.

Das Spektrometer für kurze Wellenlängen (SWS) wurde erstmals am 1. Dezember eingeschaltet, um in einer Messung während der Ausrichtung des Teleskops auf den Stern Gamma Draconis die Geometrie der Brennebene (d.h. die Lage des Öffnungsschlitzes des Instruments in bezug auf das Teleskop) zu bestimmen. Der Stern wurde mit einem Raster von 11 x 11 Meßpunkten bei einer Wellenlänge von 3,08 Mikron erfaßt. Der gemessene Photonenfluß liegt innerhalb von 10% des vor dem Start berechneten Sollwertes.

Die nach dem ersten Einschalten mit internen Wellenlängen-Eichgeräten durchgeführten Funktionsprüfungen zeigen, daß alle Abtastmechanismen ordnungsgemäß funktionieren. Im Unterschied zu den anderen Instrumenten konnten mit dem SWS wegen der Zeitzwänge des ISO-Forschungsprogramms noch keine spektralen Beobachtungen astronomischer Quellen angestellt werden. Diese sollen aber in den nächsten Tagen anlaufen und dürften allen Anzeichen nach erfolgreich sein.
Nachdem nun alle Instrumente eingeschaltet sind und erstes Licht empfangen haben, werden die Arbeiten zur Verifizierung des Funktionsverhaltens von ISO und zur genauen Eichung seiner vier wissenschaftlichen Instrumente fortgesetzt. Die ersten Beobachtungsergebnisse sollen auf einer gegen Ende Januar 1996 geplanten Pressekonferenz vorgestellt werden.


Anmerkungen für die Redakteure:

Farbbilder können bei der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit der ESA per Fax (+33.1.53.69.76.90) unter Bezugnahme auf diese Pressemitteilung angefordert werden.

Die vier ISO-Bordinstrumente wurden von internationalen Konsortien aus Forschungseinrichtungen und Industriefirmen gebaut, die jeweils von einem Hauptexperimentator geleitet wurden. Die vier Hauptexperimentatoren sind: Catherine Cesarsky (CEA, Saclay, Frankreich) für ISOCAM, Peter Clegg (QMW, London, Großbritannien) für das LWS, Thijs de Graauw (SRON, Groningen, Niederlande) für das SWS und Dietrich Lemke (Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg) für ISOPHOT.

Hinweis:

Die Pressemitteilungen der ESA können über Internet automatisch bezogen werden. Interessenten werden gebeten, über Internet die Nachricht "subscribe ESAPRESS Vorname Nachname" (z.B. "subscribe ESAPRESS Hans Müller") an die Adresse "LISTSERV @ esoc.esa.de" zu senden (die Anführungszeichen bitte nicht eingeben!). Das System wird jedes Abonnement per E-Mail bestätigen. Anfragen an ESOC/Deutschland +49-6151-902555.

Die ESA-Pressemitteilungen und andere Informationen können auch über World Wide Web abgerufen werden: ESA-Homepage unter http://www.esa.int/; ESA-Pressemitteilungen unter http://www.esa.int/htdocs/tidc/Press/press95b.htm1.


Weitere Auskünfte über die ESA:
http://www.estec.esa.nl - Informationen über das Europäische Weltraumtechnologiezentrum (ESTEC) in Noordwijk/Niederlande: Fachbereiche, Programme und Dienstleistungsangebot; Veranstaltungen und Konferenzen im oder mit Unterstützung des ESTEC.
http://www.esoc.esa.de - Informationen über die Infrastruktur des Europäischen Raumflugkontrollzentrums (ESOC) in Darmstadt und die von ihm betreuten Satelliten.
http://www.esa.int/htdocs/esrin/ - Aufbau, Tätigkeit und Nutzerdienste des Datenverarbeitungs- und Verteilungszentrums der ESA in Frascati/Italien.
http://www.esrin.esa.it/htdocs/esa/eac.html - Informationen über das Europäische Astronautenzentrum in Köln.
http://www.vilspa.esa.es - Informationen über die Bahnverfolgungsstation der ESA in Villafranca bei Madrid und die von ihr betreuten Satelliten sowie technische und wissenschaftliche Informationen aus dem Bereich der Astronomie.

Abbildung 1: Erste Aufnahme von M51 mit ISO/ISOCAM bei einer Wellenlänge von 7 Mikron. Abgebildet ist die unverarbeitete Echtzeitaufnahme aus einer 130 Sekunden langen Beobachtung mit einem Gesichtsfeld von 3 x 3 Bogenminuten. Deutlich erkennbar sind der Kern des Spiralnebels oben rechts und zwei Spiralarmsegmente.

Abbildung 2: Aufnahme von M51 mit IRAS im Wellenlängenbereich 8-15 Mikron. Sie wurde aus den Daten der IRAS-Mission hergestellt, die einer Durchmusterung des gesamten Himmels in vier breiten Wellenlängenbereichen gewidmet war. Das eingezeichnete Quadrat entspricht dem Gesichtsfeld der ISOCAM-Aufnahme in Abbildung 1.

Abbildung 3: Erste Messung mit ISOPHOT. Abgebildet ist das Meßsignal eines Detektors in Abhängigkeit von der Zeit. Das Instrument war mit einem Schmalbandfilter auf 3,29 Mikron eingestellt, wobei infolge der Bewegung des Satelliten ein kleiner Himmelsausschnitt abgetastet wurde.